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Pilze – wollen sie uns alle umbringen?

Ist es eine Pflanze? Ist es ein Tier? Nein, es ist ein Pilz!
Pilze bilden eine Gruppe ganz für sich, auch wenn viele denken, es seien Pflanzen. Manchmal sind Pilze nett und helfen im Waldboden bei der Zersetzung von totem Material, womit dem natürlichen Kreislauf wieder Nährstoffe zugeführt werden. Oft aber haben sie es auf die totale Herrschaft abgesehen. Sie dringen in Pflanzen und Tiere ein und toben sich dort aus – nicht selten ohne Rücksicht auf das Leben ihres Wirtes. So gibt es eine parasitische Pilzart, die Insekten zu willenlosen Zombies macht. Einige Pilze wachsen sogar in Menschen.

Pilze, das sind doch die lustigen Dinger mit Stiel und Hut, die romantisch im Wald rumstehen und deren Daseinszweck darin besteht, von Touristen in knallbunten Regenjacken in die Pfanne gehauen zu werden, oder? Ähm, nein. Pilze sind oft miese kleine Parasiten, die nur sich selbst dienen. Und in den seltensten Fällen sind sie so freundlich, sich als Abendessen zu eignen. Aber fangen wir erst einmal mit den nützlichen Pilzen an.

Geneigte Pilzsammler werden wissen, dass bestimmte Pilze bevorzugt unter ausgesuchten Bäumen wachsen – der Birkenpilz unter Birken, der Steinpilz unter anderem in der Nähe von Fichten, und so weiter. Das liegt an einer uralten Partnerschaft zwischen Pflanzen und Pilzen, der sogenannten „Mykorrhiza“. Das Wort setzt sich zusammen aus den griechischen Wörtern mykos (Pilz) und rhiza (Wurzel). Dabei geht eine Pilzart eine unterirdische Verbindung mit der Pflanzenwurzel ein. Aber nicht nur Bäume haben solche Pilzpartner – etwa 80 % aller Landpflanzen haben so eine Mykorrhiza. Doch wozu brauchen Pflanzen Pilze – und umgekehrt?

Eine Mykorrhiza ist eine sogenannte Symbiose, eine enge Partnerschaft zwischen zwei unterschiedlichen Lebewesen, die beiden Vorteile bringt. Die Pflanze erhält vom Pilz Mineralstoffe wie Stickstoff und Phosphor, die im Boden in Verbindungen vorliegen, die nur der Pilz aufschließen und verarbeiten kann. Im Gegenzug erhält der Pilz von der Pflanze Nährstoffe in Form von Zuckern. Wie tauschen die beiden sich aus? Nun, Pilze bestehen nicht nur aus einem Stiel und einem Hut, ganz im Gegenteil. Dieser Teil beherbergt lediglich die Fortpflanzungsorgane. Das ist richtig, wir essen die Geschlechtsorgane von Pilzen. (Kriegt euch wieder ein, es schreit ja auch keiner „Iiiiih, Geschlechtsorgane!“, wenn er eine Blume sieht.) Der eigentliche „Körper“ des Pilzes ist ein weit verzweigtes unterirdisches Netz von sehr, sehr dünnen Fäden, für das bloße Auge praktisch unsichtbar. Dieses Netz heißt „Myzel“ (das spricht man „Mühzeel“), ein einzelner Faden ist eine „Hyphe“ (das wird wie „Hüfe“ ausgesprochen).

Die Hyphen wachsen unter der Erde vor sich hin, bis sie auf eine geeignete Pflanzenwurzel treffen. Die Pflanze sendet sogar chemische Stoffe aus, um die Pilzhyphen anzulocken. Hat eine Hyphe Kontakt zu einer Wurzel aufgenommen, bildet sie eine spezielle Struktur, mit der sie sich durch die Außenwand der Wurzel bohrt. Dazu kann die Hyphe an der Kontaktstelle einen unglaublich hohen Druck aufbauen. Experimente habe gezeigt, dass dieser Druck bis zu 100 bar betragen kann. Zum Vergleich: In einem Autoreifen herrscht ein Luftdruck von 2 bis 2,5 bar, ein richtig knallhart aufgepumpter Rennradreifen kann es schon mal auf 10 bar bringen. Immer noch kein Vergleich zum Pilz! Der baut diesen Druck jedoch nur an einem mikroskopisch kleinen Punkt auf. Das reicht aber locker, um sich in die Pflanzenwurzel zu bohren. Zusätzlich sind außerdem Enzyme im Einsatz, die die Zellwände der Pflanzenwurzel ein bisschen durchlässiger machen. Die Hyphe wächst dann innerhalb der Zellen der Pflanzenwurzel und bildet dort stark verzweigte Strukturen. Dadurch haben Pilzhyphe und Pflanzenzellen eine große Oberfläche zur Verfügung, über die sie nun die besagten Stoffe austauschen können. So brutal der ganze Vorgang klingt, die Pflanze nimmt den Pilz bereitwillig auf, sie organisiert sogar die Zellen um, in die der Pilz vorgedrungen ist, um das Meiste aus der Partnerschaft zu machen.

Klingt doch alles ganz toll, oder? Der Pilz tut der Pflanze doch einen Gefallen? Jein. So bereitwillig die Pflanze ihre äußeren Wurzelzellen für den Pilz einrichtet, so sehr muss sie Strukturen weiter innen vor ihm schützen. In der Mitte der Pflanzenwurzel liegt der sogenannte Zentralzylinder, durch den die Pflanze Wasser und Nährstoffe
transportiert – quasi die Blutbahn der Pflanzen. In die würde der Pilz zu gerne eindringen, um direkt an die Zuckerlösung zu kommen, die ihm die Pflanze im Rahmen der Mykorrhiza nur rationiert zukommen lässt. Doch dagegen wehrt sich die Pflanze, indem sie Lignin, den „Holzstoff“, in die Zellen einlagert, die den Zentralzylinder umgeben. Damit weist die Pflanze den Pilz in seine Schranken und erhält die Partnerschaft halbwegs freundlich und zum gegenseitigen Nutzen.

Doch das Lignin schützt nicht vor allen Pilzen! Eine Pflanze geht nämlich nicht nur mit einem Pilz so eine Verbindung ein, sondern meist mit mehreren. Genauso interagiert ein- und derselbe Pilz mit mehreren Pflanzenpartnern. Die beiden führen also eine sehr, sehr offene Beziehung. Der Vorteil davon: Die Mykorrhiza vernetzt mehrere Pflanzen miteinander, die so auch untereinander kommunizieren und Stoffe austauschen können. Außerdem kann die Pflanze von den unterschiedlichen Eigenschaften verschiedener Pilze profitieren (und umgekehrt). Der Nachteil: Pilze, die es gar nicht so gut meinen, können sich unter den echten Symbiosepartnern einschleichen. Die nehmen genauso Kontakt auf wie die „guten“ Pilzpartner, saugen dann aber schamlos Zucker aus der Pflanze, ohne etwas dafür zurückzugeben. Noch schlimmere Zeitgenossen unter den Pilzen tun ebenfalls so, als wollten sie eine Mykorrhiza bilden, wachsen dann aber tief in die Wurzel und schaffen es, in den Zentralzylinder vorzudringen, von wo aus sie sich in der gesamten Pflanzen verbreiten, diese von innen durchwuchern und förmlich auffressen. Nett, oder? Immerhin gibt es einige Pflanzen, die ein bisschen Rache nehmen: Sie bilden Mykorrhizzen und lassen sich gemütlich mit Mineralstoffen beliefern, knausern aber kräftig mit dem Zucker. Einige Orchideenarten sind da gut drin. Ein bisschen Gerechtigkeit muss sein.

Verlassen wir das Pflanzenreich und begeben uns zu den Tieren (darauf habt ihr doch nur gewartet!). Wenn man „Pilze“ hört, denkt man meist erstmal an Basidiomyzeten. Woran bitte? Ok, das Wort „Basidiomyzeten“ (zu Deutsch „Ständerpilze“ – haha, ich weiß) kommt wohl nur Wenigen in den Sinn. Eher hat man ein Bild von einem netten Pilz zwischen Moos und Laub vor Augen, vielleicht sitzt da noch ein Heinzelmännchen drauf. So ein Pilz ist, wie schon erwähnt, das Fortpflanzungsorgan, der sogenannte „Fruchtkörper“ eines Basidiomyzeten. Es gibt aber noch massenhaft andere Pilzarten, die nicht diese uns wohlbekannten Fruchtkörper bilden. Die haben entweder ganz anders aussehende oder gar keine spezialisierten Fruchtkörper. Das unterirdische Myzel-Netzwerk ist ihnen aber fast allen gemein. Doch lange nicht jeder Pilz ist so freundlich, sein Myzel friedlich im Waldboden zu bilden. Manche wachsen innerhalb von Insekten. Oder Menschen.

Da hätten wir zum Beispiel Ophiocordyceps unilateralis, eine parasitische Pilzart, deren Sporen auf den Panzern von Ameisen auskeimen und dann in den Körper der Ameise hineinwachsen. Dort befällt der Pilz das Nervensystem der Ameise und manipuliert ihr Verhalten. Die Ameise hört auf, für ihre Kolonie zu arbeiten und macht sich stattdessen auf den Weg zu einem Blatt oder der Baumrinde – sie wird zum willenlosen Zombie, der nur noch dem Pilz dient. Bei Blatt oder Rinde angekommen, beißt die Ameise sich fest und stirbt. Der Pilz bildet nun einen keulenförmigen Fruchtkörper, der aus dem Hirn der Ameise herauswächst wie eine kleine Antenne. In dem untenstehenden Video, einem Ausschnitt aus der englischen BBC-Serie Planet Earth, seht ihr das Ganze in Echt. Ophiocordyceps unilateralis hat mit dieser gruseligen Fortpflanzungsstrategie schon Computerspiele und Science-Fiction-Romane inspiriert.

Zombie-Ameisen sind schon ein bisschen gruselig, aber irgendwie auch faszinierend. Wenn so ein Pilz allerdings in uns Menschen wächst, hört der Spaß auf. Ausgerechnet ein Vertreter der Hefepilze kann uns mächtig zu schaffen machen. Ein bestimmter Hefepilz, die Bierhefe, auch Bäckerhefe genannt, ist dem Menschen seit Jahrtausenden zu Diensten. Auch in der Wissenschaft wird dieser Hefepilz sehr verbreitet genutzt. Auf Schlau heißt diese Pilzart Saccharomyces cerevisiae. Gebäck und Gesöff – wer wollte ohne sie leben? Allerdings findet man selbst im Weißbier keine Myzel-Netzwerke, höchstens ein bisschen pudrigen Bodensatz. Das liegt daran, dass Hefepilze oft kein Myzel bilden, sondern als einzelne, winzige Pilzzellen durch die Gegend schwimmen. Auch Nicht-Hefepilze (wie die erwähnten Ständerpilze) bilden in manchen Lebensstadien einzelne Zellen, die dann zu Ehren der einzelligen Hefen als „Hefestadium“ oder „Hefeform“ bezeichnet werden.

Doch bei Weitem nicht alle Hefen finden ihre Erfüllung darin, uns Menschen mit Gebäck und Gesöff zu versorgen. Ein ziemlich gemeiner Vertreter der Hefepilze ist die Gattung Candida, vor allem die Art Candida albicans. Und ich habe eine schlechte Nachricht: Diesen Pilz tragen etwa 70 bis 75 Prozent von uns in sich. Die gute Nachricht: Meistens ist er harmlos. Meistens.

Candida albicans lebt bei gesunden Menschen im Darm und auf Schleimhäuten im Gleichgewicht mit all den anderen Mikroorganismen, die sich dort tummeln, etwa Milchsäurebakterien. Gerät das Gleichgewicht aber aus der Balance, kann der Pilz die Überhand bekommen und zu einer Erkrankung werden. Das kann etwa passieren, wenn man eine Antibiotikatherapie macht. Dabei werden nämlich nicht nur die krankmachenden Bakterien abgetötet, sondern alle Bakterien, die man im Körper trägt, auch die guten. Darauf hat der Pilz gewartet – die Milchsäurebakterien, die mit ihm um Platz und Nahrung konkurrieren, sind weg, und los geht’s mit der Pilzinfektion! Candida kann im Prinzip den ganzen Körper befallen, häufig sind die Mundhöhle (das nennt man dann „Soor“) und der weibliche Genitalbereich.

ACHTUNG! Das heißt NICHT, dass Antibiotikatherapien automatisch schlecht sind! Oft sind sie die letzte Rettung, denn auch Bakterieninfektionen können sehr gefährlich sein für Leib und Leben! Wenn ihr Antibiotika verschrieben bekommt, nehmt IMMER die ganze Packung bis zum Ende, genau, wie eure Ärztin oder euer Arzt es verschrieben hat! Auch, wenn es euch schon eher besser geht. Sonst züchtet ihr multiresistente Bakterien in eurem Körper, die ihr womöglich nie wieder loswerdet! (Ok, der Belehrungsmodus geht jetzt wieder aus)

Ein Tip für die Mädels: Wenn ihr wisst, dass ihr während einer Antibiotikakur zu Scheidenpilz neigt, kauft in der Apotheke Milchsäurezäpfchen (ja, für die Mumu). Die helfen dabei, die Scheidenflora bakterienfreundlich zu halten und können so einer Pilzinfektion entgegenwirken.

Solche oberflächlichen Pilzinfektionen sind trotzdem noch vergleichsweise harmlos und meist gut zu behandeln. Candida ist allerdings auch dazu in der Lage, in die Blutbahn vorzudringen und von da aus den gesamten Körper von innen zu befallen. Daran kann man sterben. Das passiert unter normalen Umständen nicht oft. Wer ab und zu Fußpilz hat, muss also keine Angst haben. In Krankenhäusern ist Candida allerdings oftmals ein Problem, da vor allem sehr geschwächte Personen anfällig sind für so eine systemische Pilzinfektion – Candida steht inzwischen auf Platz vier der gefährlichsten Krankenhauskeime.

Jetzt muss ich die Behlerungskeule doch noch mal rausholen: Solltet ihr eine Pilzinfektion haben, probiert bitte nicht mit Hausmitteln oder Homöopathie herum, sondern geht sofort zum Arzt. Der wird euch antimykotische Arzneimittel verschreiben, die den Pilz meist innerhalb weniger Tage ausmerzen. So lange kann selbst der überzeugteste Anhänger des Paläo-Lifestyles ein paar künstlich hergestellte chemische Stoffe aushalten. Je länger der Pilz wuchert, desto höher ist nämlich die Wahrscheinlichkeit, dass er doch seinen Weg in die Blutbahn findet. Und dann geht man wirklich ganz authentisch den Weg des ach-so-natürlich lebenden Höhlenmenschen, der seinerzeit an heutzutage völlig harmlosen Infektionen meist starb.

Wir Menschen können leider wenig nutzen aus Pilzen ziehen, die in unseren Körper eindringen, so wie Pflanzen das können. Wir können nur über das Pilzreich triumphieren, indem wir einige seiner Vertreter aufessen.

Affen, die Gedanken lesen

Streiche spielen – eine beliebte Beschäftigung bei Kindern. Zum Beispiel Sachen verstecken, die den Eltern irgendwie wichtig zu sein scheinen (Geldbörse, Autoschlüssel, sich selbst) und sich dann einen abfreuen, wenn die Eltern panisch danach suchen: “Hier hatte ich es doch hingelegt!” So nervig solche Situationen sein können – man sollte doch die Leistung des kindlichen Gehirns würdigen, die dahintersteckt. Um jemandem einen Streich zu spielen, muss man sich nämlich in ihn hineinversetzen können – die Welt durch die Augen des anderen sehen, um vorhersagen zu können, dass derjenige eine amüsante Reaktion zeigen wird. Nur sehr wenige Tiere können sich in ihr Gegenüber hineinversetzten – wir Menschen gehören dazu, aber auch viele Affen.

In dem Versuch, der in diesem Video der Wissenschaftszeitschrift Science gezeigt wird, beobachten verschiedene Menschenaffen (Schimpansen, Orang-Utans und Bonobos) eine Szene, die von Menschen gespielt wird. Dabei verfolgen Wissenschaftler die Augenbewegungen der Affen, um zu sehen, wo sie während der Szene hinschauen. Damit die Tiere dabei ihren Kopf möglichst stillhalten, ist direkt vor ihnen ein Trinkhalm installiert, aus dem Orangensaft tröpfelt.

Eine der Szenen läuft wie folgt ab: Ein Mensch hat einen Pflasterstein, im Raum liegen außerdem zwei umgestülpte Kartons. Ein als Affe verkleideter Mensch kommt hinzu und ist sehr aufgeregt über den Stein (dieser Part ist wohl dazu da, dem beobachtenden Menschenaffen klarzumachen, das der Stein sehr wichtig ist – so wie die Geldbörse für Papa wichtig ist, und daher ein attraktives “Streichspielobjekt”). Dann versteckt der Verkleidete den Stein im Beisein des Menschen unter dem linken Karton. Der Mensch verlässt den Raum – woraufhin der Verkleidete den Stein erst unter den rechten Karton legt, dann ganz wegnimmt und den Raum verlässt. Der Mensch kommt zurück, um den Stein zu holen, und nun passiert etwas interessantes: Der beobachtende Menschenaffe schaut zum linken Karton, wo der Stein ja nicht mehr ist. Daraus schließen die Wissenschaftler, dass der Affe sich in die Perspektive des Menschen hineinversetzen kann. Denn obwohl der Menschenaffe weiß, dass es das falsche Versteck ist, nimmt er an, dass der Mensch dort nachsieht – der weiß es schließlich nicht besser.

Auch andere Primaten zeigen eine gewisse Fähigkeit, die Gedanken ihrer Artgenossen nachzuvollziehen. In diesem Video aus der Doku “Clever Monkeys” des britischen Senders BBC nutzt ein Kapuzineraffe den Alarmschrei, der seine Kollegen eigenltich vor Fressfeinden warnen soll, um sie alle in die Flucht zu jagen – und dann das beste Futter für sich alleine zu haben. Dank der strengen Hierarchien bei Kapuzineraffen wird ihm das nämlich normalerweise von Ranghöheren abgenommen. (Der Sprecher in dieser Doku ist übrigens einer meiner persönlichen Helden: David Attenborough, ein britischer Naturforscher, der seit vielen Jahrzehnten an wundervollen und informativen Naturdokumentationen mitwirkt. In Deutschland werden die meist im ZDF ausgestrahlt, allerdings natürlich mit einem Synchronsprecher.)

Vor einigen Jahren habe ich eine deutsche Doku über die kindliche Gehirnentwicklung gesehen, wo ein ähnliches Experiment mit Kindern verschiedenen Alters durchgeführt wurde: Im Beisein des Kindes und seiner Mutter wurde ein Malstift in einem Karton versteckt. Dann verließ die Mutter den Raum und der Versuchsleiter nahm den Stift aus dem Karton und versteckte ihn woanders. Das Kind sah das. Der Versuchsleiter fragte dann das Kind, wo Mama den Stift suchen würde, wenn sie wieder hineinkam. Kinder über vier Jahre sagten, sie würde im Karton suchen, wo die den Stift ja zuletzt gesehen hatte. Jüngere Kinder aber glaubten, sie würde im zweiten Versteck suchen – sie konnten sich noch nicht in die Perspektive ihre Mutter hineinversetzen. (Leider weiß ich nicht mehr, wie diese Sendung hieß und finde auch das Video nicht.)

Wenn eure Kiddies sich also gegenseitig mit der Sandkastenschaufel verkloppen, liegt es nicht daran, dass sie kleine Teufelsbratzen sind. Ihr Gehirn hat schlichtweg die Verbindungen noch nicht geknüpft, die dafür zuständig sind, die Welt durch die Augen des Gegenübers zu sehen.

 

Jedem Tierchen seinen Star

Wissenschaftler haben ein bisschen Hollywood in der Welt der Gliederfüßer – Spinnen, Insekten und Krebse – gebracht. Man sollte denken, dass es eine Ehre ist, wenn eine neu entdeckte Tierart nach einem benannt wird. Doch bei so manchen dieser kleinen Kreaturen fragt man sich, ob ihr unfreiwilliger Namenspate wohl so begeistert ist…

Aleiodes_shakirae_gr
Bild: commons.wikimedia.org, Lizenz CC BY-SA4.0

Die Wespe Aleiodes shakirae etwa legt ihre Eier in lebenden Raupen einer bestimmten Schmetterlingsart ab. Schlüpfen die Wespenlarven, fressen sie die Raupe von innen auf – erst die weniger lebenswichtigen Teile, sodass die Raupe noch eine Weile lebt. Kurz vor ihrem Tod wackelt die Raupe dann mit dem Unterleib hin und her. Anscheinend tut sie das derart gekonnt, dass die Entdecker sich an Shakiras Bauchtanzkünste erinnert fühlten und der Wespe, die die arme Raupe so tanzen lässt, den Namen der Sängerin verpassten.

Captia (Plinthina) beyonceae 1_th
Bild: Bryan Lessard, scienceimage.csiro.au

 

Ebenfalls für guten Gesang und ihre bemerkenswerte untere Körperhälfte bekannt ist Beyoncé. Das nach Ihr benannte Insekt kommt ihr sogar in Sachen Eleganz ein wenig nahe: Die Fliege Scaptia beyonceae hat einen golden glänzenden Hinterleib. Dessen Ausmaße waren es angeblich auch, die den Entdecker der Fliege inspirierten, sie nach Beyoncé zu benennen…

 

 

vaderi
www.wibnet.nl

Und dann wäre da noch Agathidium vaderi, ein Vertreter aus der Familie der Schwammkugelkäfer. Den Wissenschaftlern, die ihn bennenen durften, fiel sofort seine schwarzglänzende Panzerung auf. Kommt die jemandem irgendwie bekannt vor? Aus so einer Filmreihe, Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger, mit Raumschiffen und Laserschwertern und so? Der Name “Schwammkugelkäfer” kommt übrigens daher, dass diese Käfer Pilze fressen (in einigen Landstrichen auch “Schwamme” genannt). Drei Vertreter, die sich speziell von Schleimpilzen ernähren, wurden nach amerikanischen Präsidenten benannt. Bush ist auch dabei. Strikt ehrenhalber, natürlich!

Auch Barack Obama musste seinen Namen hergeben, für die Spinne Aptostichus barackobamai. Zwei andere Spinnen derselben Gattung wurden nach dem Comedien Stephen Colbert beziehungsweise nach Angelina Jolie benannt.

Kurzer Klugscheißer-Exkurs an dieser Stelle: Die wissenschaftlichen Namen eines Tieres oder einer Pflanzen bestehen meistens aus zwei, manchmal aus drei Teilen. Der erste Teil, also zum Beispiel “Aptostichus”, bezeichnet die Gattung. Innerhalb einer Gattung kann es mehrere Arten geben, wie bei diesen Spinnen der Fall. Die einzelnen Arten kriegen dann entsprechend unterschiedliche zweite Namensteile, die dann die Spezies bezeichnen. Wenn noch ein drittes Wort dasteht, ist das die Unterart. Findet man eine neue Art, muss man sie gründlich untersuchen, meist wird auch die DNA (zumindest teilweise) sequenziert. Dadurch kann man die Art oft in eine schon bestehende Gattung einordnen und ist damit bei der Namensgebung beim ersten Wort festgelegt. Der Artname kann jedoch beliebig gewählt werden – wie hier eindrücklich demonstriert. So, Exkurs vorbei.

Die meisten tollen Tiere wurden bereits vor langer Zeit gefunden, beschrieben und benamst. Neu benannt werden darum heutzutage fast nur kleine, schwer zu findende Krabbeltierchen, über die Forscher erst jetzt stolpern. Jennifer Lopez hatte ein bisschen Pech, dass eine Gruppe Marinebiologen ihrem Album lauschte, während sie eine Ozeanmilbe beschrieben. Wer will seinen Namen schon mit einer Milbe in Verbindung bringen? Bob Marley hat es allerdings noch schlimmer erwischt – Gnathia marleyi ist ein blutsaugender, parasitisch lebender Mini-Krebs.

Hollywoods Stars sollten besser hoffen, dass demnächst eine neue Dinosaurierspezies benannt wird. Oder wenn es schon ein Insekt oder so etwas sein muss, dann doch wenigstens ein Schmetterling.

 

 

Ich bin Wissenschaftler, kein gewissenloser Tierquäler!

800px-Lab_mouse_mg_3263Ich unterschreibe manchmal Petitionen im Internet. Wenn man so eine Petition unterschrieben hat, bekommt man Vorschläge für andere Sachen, die man auch unterschreiben könnte. Und letztens kam da ein Aufruf von PETA, der Tierschutzorganisation. Sie sammelten Unterschriften um AirFrance dazu zu bewegen, keine Affen mehr in Versuchslabore zu fliegen, da diese dort “mit grausamen Experimenten zu Tode gequält” würden. So etwas ärgert mich. Affenquälerei ärgert mich natürlich, aber noch mehr, dass Tierversuche im Rahmen wissenschaftlicher Studien als “grausame Quälerei” bezeichnet werden, weil es irgendwie klingt, als würden wir Wissenschaftler ohne Sinn und Zweck Tiere quälen – nur um des Quälens Willen, weil es uns Spaß macht oder so. Das ist nicht so. Ich will heute ein wenig erklären, wie und warum Tierversuche gemacht werden und was der Sinn dahinter ist.

Man erinnert sich vielleicht noch an die Skandale um die Testung von Kosmetika an Tieren – Kaninchen, Mäusen oder anderen Sägetieren wurden einzelne Inhaltsstoffe oder fertige Kosmetika verabreicht, in die Augen oder auf zuvor rasierte oder verwundete Hautstellen aufgebracht etc. Solche Tests sind in der EU jedoch seit 2006 verboten. 2013 ging Deutschland sogar noch einen Schritt weiter und verbot auch den Verkauf von an Tieren getesteten Kosmetika. Das ist etwa dann relevant, wenn ein fertiges Produkt aus einem Land eingeführt wird, in dem Tierversuche noch erlaubt sind. Auf diesem Gebiet gibt es in Sachen Tierschutz also große Erfolge zu verzeichnen. Aber warum sind Tierversuche in der Wissenschaft noch immer erlaubt?

Unter dem Begriff “Tierversuch” versteht man das Durchführen wissenschaftlicher Experimente an oder mit lebenden Tieren. “Wissenschaftlich” bedeutet,  dass diese Experimente dem Erkenntnisgewinn dienen. Zum einen kann das im Rahmen der sogenannten Grundlagenforschung geschehen, also der Erforschung von Lebensvorgängen im gesunden Organismus. Es wird aber auch erforscht, wie bestimmte Krankheiten entstehen und was dabei im Körper geschieht, oder es werden Medikamente an Tieren getestet.
Doch warum brauchen wir dafür Tiere? Für mich läuft die Antwort auf diese Frage immer auf dieses hinaus: Wollen wir Krankheiten wie Krebs, Alzheimer und Parkinson besser verstehen, behandeln und irgendwann vielleicht sogar heilen können? Wollen wir Menschen helfen? Wenn die Antwort auf diese Frage “Ja” lautet. kommen wir um Tierversuche (noch) nicht herum.

Auch uns Wissenschaftlern macht es keinen Spaß, Tieren Leid zuzufügen. Und ich möchte nicht leugnen, dass Tiere bei solchen Versuchen leiden können. Beispielsweise werden Mäuse genetisch so verändert, dass sie eine bestimmte Krankheit entwickeln. An diesen Mäusen kann man die Krankheit dann erforschen – und oft ist dies die einzige Möglichkeit, Dinge überhaupt zu erforschen.
Allerdings bedeutet “Tierversuch” nicht immer, dass es sich um Wirbeltiere (z.B. Fische und Frösche) oder sogar Säugetiere (wie Mäuse oder Affen) handeln muss. Viele Erkenntnisse kann man auch mithilfe von Tieren gewinnen, die auf der Evolutionsleiter weiter unten stehen, wie z.B. Fliegen und Fadenwürmer. Solche Tiere sind sehr einfach zu halten und vermehren sich schnell, weshalb sie von Wissenschaftlern bevorzugt werden, solange sich mit ihnen auf den Menschen übertragbare Erkenntnisse gewinnen lassen. Und das ist erstaunlich oft der Fall. Ein Beispiel: Das menschliche Gen FMR1 kann, wenn es beschädigt ist, zu Autismus führen (dabei handelt es sich um eine Entwicklungsstörung des Gehirns, die schwere geistige Behinderung nach sich ziehen kann). Im Jahr 2000 entdeckten Wissenschaftler um Gideon Dreyfuss am Howard Hughes Medical Institute in Pennsylvania, USA, dass das Gen FMR1 einen engen Verwandten in der Fruchtfliege Drosophila melanogaster hat. Und erstaunlicherweise entwickelt auch die Fruchtfliege bei Mutation ihres FMR1-Gens Symptome von Autismus; etwa Lern- und Erinnerungsschwächen. Seitdem konnten viele Aspekte der Krankheit mithilfe der Fruchtfliege aufgeklärt werden.

Doch was, wenn man Fliegen und Würmer keine guten Ergebnisse liefern und man doch beginnen muss, an den dem Menschen ähnlicheren Mäusen oder Ratten zu forschen? Der Schritt dahin ist kein leichter und kein Wissenschaftler geht ihn, ohne gründlich darüber nachzudenken. In Deutschland herrschen strenge Regeln, die man bei der wissenschaftlichen Arbeit mit Wirbel- und Säugetieren beachten muss. Jedes Tier braucht genug Platz und Nahrung, seine Umgebung muss saubergehalten werden und es muss unter guten Bedingungen gehalten werden. So müssen Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Lautstärke in dem Raum, in dem die Tiere leben, ständig überprüft und protokolliert werden. Für Mäuse etwa muss die Temperatur immer zwischen 20 und 24 °C liegen und die Lautstärke darf 60 dB nicht übersteigen – das ist in etwa die Lautstärke einer normalen Unterhaltung. Jedes Institut und jede Universität, die Versuchstiere halten, müssen einen Tierschutzbeauftragten haben, der die Einhaltung der Regeln überwacht. Für jedes einzelne Tier und jedes Experiment muss ein Antrag bei der zuständigen Behörde gestellt werden. All dies ist aufwändig und teuer, darum vermeiden Wissenschaftler Tierversuche mit Säugetieren so weit es geht. Doch manchmal sind sie unumgänglich.

Zur Testung von neuen Medikamenten kommt man um Versuche mit Mäusen und Ratten beispielsweise kaum herum. Doch auch hier ist niemand voreilig. Nur die Medikamente, die sehr wahrscheinlich die gewünschte Wirkung und möglichst wenig Nebenwirkungen haben, werden überhaupt für Tierversuche zugelassen. Zunächst einmal werden Substanzen, die z.B. für die Bekämpfung einer Krankheit eingesetzt werden sollen, an sogenannten Zellkulturen getestet. Zellkulturen sind aus Menschen oder Tieren entnommene Zellen, die im Labor in einem Nährmedium außerhalb des Organismus leben und sich teilen können. Zu einer solchen Zellkultur wird das neue Medikament hinzugegeben und es wird geschaut, wie die Zellen darauf reagieren. Zeigt das Medikament dort die gewünschte biochemische Wirkung und stört es die Lebensfunktion der Zelle nicht, kann der Schritt zum Tierversuch gemacht werden. Denn in einem lebenden Organismus gibt es viele verschiedene Arten von Zellen. Man kann also aus den Experimenten in der Zellkultur nicht genau vorhersagen, wie sich das Medikament im Menschen verhält. Es besteht noch immer die Gefahr, dass es unvorhergesehene Nebenwirkungen hat. Diese Möglichkeit muss mithilfe von Tierversuchen erst ausgeschlossen werden, bevor man den letzten Schritt gehen und das Medikament in klinischen Studien an Menschen verabreichen kann. Überspringt man die Tierversuche, könnten Menschen ernsthaften Schaden erleiden.

Ein weiterer unangenehmer Fakt ist, dass Tiere nach Abschluss einer Testreihe oder eines Forschungsprojekts getötet werden müssen. Warum dürfen sie nicht in die Freiheit entlassen oder als Haustiere gehalten werden? Versuchstiere sind oft genetisch verändert oder aber mit Substanzen, z. B. Medikamenten in Kontakt gekommen, die nicht in die Umwelt gelangen dürfen (aus demselben Grund darf man alte Arzneimittel nicht in die Toilette schütten). Genetisch veränderte Tiere können sich mit ihren wildlebenden Artgenossen paaren und so veränderte Gene in Umlauf bringen, was die gesamte Population eines Tieres und in der Folge das ganze Ökosystem durcheinanderbringen kann. Das Freilassen von Versuchstieren, von Tierschützern vielleicht gut gemeint, kann also verheerende Umweltschäden verursachen – das kann nicht im Sinne eines Tierschützers sein. Da man nicht kontrollieren kann, was mit Haustieren geschieht und wo sie überall hinkommen, darf man Versuchstiere auch nicht mit nach Hause nehmen. Für die Tötung der Tiere gibt es genaue Vorschriften, die auf geringstmögliches Leid der Tiere abzielen. Sie müssen beispielsweise erst in einen künstlichen Tiefschlaf versetzt (anästhesiert) werden, bevor sie getötet werden. Der Tod muss augenblicklich, beispielsweise durch Genickbruch, eintreten. Das kann auch nicht jeder Wissenschaftler einfach machen, man muss einen Kurs absolvieren, bevor man überhaupt mit Säugetieren arbeiten darf. Der Umgang mit Tieren in der Wissenschaft ist oft deutlich humaner als der in Schlachtbetrieben.

Doch was hält uns Wissenschaftler davon ab, unsere Tierversuche heimlich durchzuführen, weil wir auf großartige Ergebnisse hoffen und uns den Papierkram sparen wollen? Erstens: Wir sind keine schlechten, skrupellosen Menschen. Zweitens: Weil wir unsere Ergebnisse veröffentlichen wollen. Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Zeitschriften sind die „Währung“ der Wissenschaft – je mehr man hat, desto besser die Karriereaussichten. Und Ergebnisse, die auf illegalem Wege erzeugt wurden, kann man nicht veröffentlichen, da man immer nachvollziehbar angeben muss, wo man die Tiere her hat und ob das Experiment offiziell genehmigt war.

Wissenschaftler quälen Tiere also nicht absichtlich und schon gar nicht zum Spaß. Es macht mich traurig, dass viele ein solches Bild von uns haben. Wir sind Menschen wie alle anderen, mit Gefühlen und Moralvorstellungen. Und wir sind oft die, die eine schwierige Entscheidung treffen müssen: Ist es wichtiger, menschliches Leid zu lindern – oder tierisches Leid zu vermeiden?