Tag: spezies

Jedem Tierchen seinen Star

Wissenschaftler haben ein bisschen Hollywood in der Welt der Gliederfüßer – Spinnen, Insekten und Krebse – gebracht. Man sollte denken, dass es eine Ehre ist, wenn eine neu entdeckte Tierart nach einem benannt wird. Doch bei so manchen dieser kleinen Kreaturen fragt man sich, ob ihr unfreiwilliger Namenspate wohl so begeistert ist…

Aleiodes_shakirae_gr
Bild: commons.wikimedia.org, Lizenz CC BY-SA4.0

Die Wespe Aleiodes shakirae etwa legt ihre Eier in lebenden Raupen einer bestimmten Schmetterlingsart ab. Schlüpfen die Wespenlarven, fressen sie die Raupe von innen auf – erst die weniger lebenswichtigen Teile, sodass die Raupe noch eine Weile lebt. Kurz vor ihrem Tod wackelt die Raupe dann mit dem Unterleib hin und her. Anscheinend tut sie das derart gekonnt, dass die Entdecker sich an Shakiras Bauchtanzkünste erinnert fühlten und der Wespe, die die arme Raupe so tanzen lässt, den Namen der Sängerin verpassten.

Captia (Plinthina) beyonceae 1_th
Bild: Bryan Lessard, scienceimage.csiro.au

 

Ebenfalls für guten Gesang und ihre bemerkenswerte untere Körperhälfte bekannt ist Beyoncé. Das nach Ihr benannte Insekt kommt ihr sogar in Sachen Eleganz ein wenig nahe: Die Fliege Scaptia beyonceae hat einen golden glänzenden Hinterleib. Dessen Ausmaße waren es angeblich auch, die den Entdecker der Fliege inspirierten, sie nach Beyoncé zu benennen…

 

 

vaderi
www.wibnet.nl

Und dann wäre da noch Agathidium vaderi, ein Vertreter aus der Familie der Schwammkugelkäfer. Den Wissenschaftlern, die ihn bennenen durften, fiel sofort seine schwarzglänzende Panzerung auf. Kommt die jemandem irgendwie bekannt vor? Aus so einer Filmreihe, Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger, mit Raumschiffen und Laserschwertern und so? Der Name “Schwammkugelkäfer” kommt übrigens daher, dass diese Käfer Pilze fressen (in einigen Landstrichen auch “Schwamme” genannt). Drei Vertreter, die sich speziell von Schleimpilzen ernähren, wurden nach amerikanischen Präsidenten benannt. Bush ist auch dabei. Strikt ehrenhalber, natürlich!

Auch Barack Obama musste seinen Namen hergeben, für die Spinne Aptostichus barackobamai. Zwei andere Spinnen derselben Gattung wurden nach dem Comedien Stephen Colbert beziehungsweise nach Angelina Jolie benannt.

Kurzer Klugscheißer-Exkurs an dieser Stelle: Die wissenschaftlichen Namen eines Tieres oder einer Pflanzen bestehen meistens aus zwei, manchmal aus drei Teilen. Der erste Teil, also zum Beispiel “Aptostichus”, bezeichnet die Gattung. Innerhalb einer Gattung kann es mehrere Arten geben, wie bei diesen Spinnen der Fall. Die einzelnen Arten kriegen dann entsprechend unterschiedliche zweite Namensteile, die dann die Spezies bezeichnen. Wenn noch ein drittes Wort dasteht, ist das die Unterart. Findet man eine neue Art, muss man sie gründlich untersuchen, meist wird auch die DNA (zumindest teilweise) sequenziert. Dadurch kann man die Art oft in eine schon bestehende Gattung einordnen und ist damit bei der Namensgebung beim ersten Wort festgelegt. Der Artname kann jedoch beliebig gewählt werden – wie hier eindrücklich demonstriert. So, Exkurs vorbei.

Die meisten tollen Tiere wurden bereits vor langer Zeit gefunden, beschrieben und benamst. Neu benannt werden darum heutzutage fast nur kleine, schwer zu findende Krabbeltierchen, über die Forscher erst jetzt stolpern. Jennifer Lopez hatte ein bisschen Pech, dass eine Gruppe Marinebiologen ihrem Album lauschte, während sie eine Ozeanmilbe beschrieben. Wer will seinen Namen schon mit einer Milbe in Verbindung bringen? Bob Marley hat es allerdings noch schlimmer erwischt – Gnathia marleyi ist ein blutsaugender, parasitisch lebender Mini-Krebs.

Hollywoods Stars sollten besser hoffen, dass demnächst eine neue Dinosaurierspezies benannt wird. Oder wenn es schon ein Insekt oder so etwas sein muss, dann doch wenigstens ein Schmetterling.

 

 

10 Jahre danach: Der “Hobbit” – ein Einzelfund oder doch eine neue Menschenspezies?

Vor 10 Jahren wurde in der wissenschaftlichen Zeitschrift Nature ein bahnbrechender Artikel veröffentlicht – Archäologen fanden Teile des Skeletts eines Urmenschen in einer Höhle in Indonesien. Zunächst einmal nichts allzu besonderes. Doch dieser Urmensch, ein Erwachsener, war ungewöhnlich klein und hatte Merkmale, die von keinem anderen Urmenschen bekannt waren. Die Wissenschaftler um Mike Morwood und Raden Soejono konnten sich zunächst keinen Reim darauf machen.

Es gibt zwei Dinge, die historische wissenschaftliche Funde erstaunlich oft kennzeichnen: Sie sind dem Zufall geschuldet (z.B. die Entdeckung des Penicillin durch eine schimmlige Kaffeetasse) oder ihre Bedeutung wird zunächst nicht erkannt (wie die Himmelsscheibe von Nebra, die anfangs für einen Blechdeckel gehalten wurde). Auch der Fund des “Hobbit” war zufällig und wurde erst einmal nicht als die Sensation erkannt, die er war. Die Archäologen führten die Ausgrabungen in Indonesien eigentlich durch, um Hinweise darüber zu finden, mit welchen Mitteln der moderne Mensch vor tausenden von Jahren von Asien nach Australien reiste. Stattdessen fanden sie in sechs Metern Grabungstiefe ein menschliches Skelett.

Die geringe Körpergröße von etwa einem Meter ließ die Forscher vermuten, es handle sich um ein Kind. Doch der Knochenbau sprach für einen Erwachsenen. Außerdem hatte er ein Schädelvolumen von ca. 400 cm3, etwa ein Drittel der Größe des modernen Menschenhirns. Nichts schien ins Bild der bisher bekannten Urmschenspezies zu passen, die letzten menschlichen Vorfahren dieser Größe gehörten zur Gattung Australopithecus, einem sehr frühen menschlichen Vorfahren, der vor etwa 2 Millionen Jahren ausstarb. Die Skelettteile waren jedoch, laut Altersbestimung mit der Radiokarbonmethode, nur 18.000 Jahre alt. Ein Experte musste her.

Die Forscher schickten eine Zeichnung an Peter Brown, einen Urmenschenexperte aus Australien. Brown sagte sinngemäß: “Die verstanden dort nicht viel von menschlichen Skeletten. Die Zeichnung hätte genausogut eine griechischen Vase darstellen können. Aber ich bin trotzdem nach Jakarta geflogen, weil ich das Essen und die Kultur mag. Ich hatte allerdings nicht erwartet, irgendetwas interessantes zu finden.” Doch als Brown den Unterkiefer sah, der zu dem Skelett gehörte, änderte seine Meinung sich schlagartig. Mit seiner Hilfe konnte das zerbrechliche Skelett gereinigt, stabilisiert und schließlich eingehend untersucht werden. Die Forscher des Ausgrabungs- und Untersuchungsteams waren sich einig: Es handelte sich um eine bisher unbekannte Spezies von Urmensch.

Nun musste noch ein Name gefunden werden, ein wissenschaftlicher und ein einfacherer für die Veröffentlichung des Fundes in Zeitung und Fernsehen. Auf “Hobbit” konnte man sich als Alltagsnamen des kleinen Urmenschen schnell einigen. Von der Idee, den wissenschaftlichen Namen “Homo hobbituszu wählen, war Brown jedoch nicht begeistert. Schließlich wurde die neue Menschenart nach ihrem Fundort, der indonesischen Insel Flores benannt: Homo floresiensis.

Und alles wäre wunderbar, wenn die Geschichte unseres Hobbit-Vorfahren hier enden würde. Doch so einfach ist es nun einmal nicht im Leben, und schon gar nicht in der Wissenschaft. Maciej Henneberg, ein Urmenschenforscher aus Polen, der jedoch in Australien lebt und lehrt, zweifelte ernsthaft daran, dass es sich bei Homo floresiensis um eine neue Menschenart handelte. Er veranlasste, dass der Schädel in ein anderes Labor gebracht wurde. Dort wurden Abgüsse gemacht, wobei der Schädel stark beschädigt wurde. Henneberg war überzeugt, dieses Exemplar eines Urmenschen habe an einer Fehlentwicklung des Schädels gelitten, einer sogenannten Mikroenzephalie (zu dt. etwa “kleiner Kopf”). Laut Henneberg handelte es sich also um einen fehlgebildeten Schädel einer bereits bekannten Urmenschenart. Diese Theorie konnten die Forscher um Mike Morwood jedoch widerlegen, mithilfe von Vergleichen des Hobbitschädels mit modernen Beispielen von Mikroenzephalie – die Merkmale passten nicht. Damit gab sich Henneberg aber nicht geschlagen, er verglich Schädelmaße von Menschen, die am Down-Syndrom litten mit dem Hobbit und kam als nächstes zu dem Schluss, dass der kleine Menschenvorfahre das Down-Syndrom gehabt habe. “Es gab kein Merkmal an diesem Schädelfossil, das nicht passte.” Doch auch diese Theorie hielt weiteren Untersuchungen nicht stand, denn der Schädel war nicht das einzigie ungewöhnliche Merkmal des Hobbit.

Die Füße waren beispielsweise recht groß und so gebaut, dass man annimmt, bei Homo floresiensis handelte es sich um einen geschickten Kletterer. Das mag nicht überraschen, da die indonesische Insel Flores, die Heimat des Hobbit, recht bergig ist und die Höhle, in der er gefunden wurde, 500 m über dem Meeresspiegel liegt.

Die Kontroverse um den Hobbit ist noch nicht beendet, doch mehr und mehr Wissenschaftler, die das Fossil untersuchen, sind überzeugt, es handele sich um eine bisher unbekannte Spezies von Urmensch. Inzwischen wurden 13 weitere Skelette dieser Art auf Flores gefunden. Es sieht ganz so aus, als würde die Geschichte der menschlichen Evolution um ein Kapitel erweitert.