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Tuberkulose, Pest und Cholera – alles eine Frage der Faltung

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Der Erreger der Pest, Yersinia pestis, (gelb) auf einem Floh (violett). Raster-elektronenmikroskopische Aufnahme, nächträglich eingefärbt. (Foto: National Institute of Allergy and Infectious Diseases, USA)

Während es mit der Karriere der Pest seit dem 14. Jahrhundert rapide bergab ging, stellen Cholera und vor allem Tuberkulose die Welt noch immer vor große Probleme. Dank der vereinten Mühen von Forscherteams aus Bochum, Leipzig und Braunschweig verstehen wir jetzt besser, wie die Bakterien, die diese Krankheiten verursachen, ihren Angriff auf unser Leib und Leben starten.

Wenn es in unserem Körper demokratisch zuginge, hätten wir jeden Tag Stichwahl: Etwa 40 Billionen (eine 4 mit 13 Nullen) eigene Körperzellen besitzen wir – und etwa genausoviele Bakterien tummeln sich auf unserer Haut, unseren Schleimhäuten und im Darm. Eklig? Keineswegs! Ohne Bakterien könnten wir nicht überleben: Sie wehren Krankheitserreger ab und helfen uns bei der Nahrungsverdauung. Da sie viel kleiner sind als unsere eigenen Körperzellen, fallen sie uns (zum Glück) nicht weiter auf. Aber wehe, eine nicht so wohlmeinende Bakterienzelle dringt ein!

Zu den fiesesten Vertretern der bakteriellen Krankheitserreger gehören Yersinia pestis, Yersinia pseudotuberculosis und Vibrio cholerae – die Namen sind Programm. Die Pest weckt heutzutage höchstens noch geistige Bilder von gruseligen mittelalterlichen Gemälden – sie ist inzwischen relativ harmlos und gut behandelbar. Tuberkulose und Cholera sorgen aber nach wie vor für hohe Todeszahlen, vor allem in ärmeren Ländern mit schlechter Trinkwasserversorgung. Um diese Krankheiten bekämpfen zu können, hilft es ungemein, zu verstehen, wie die Bakterien sie auslösen.

Das haben Forscher um Franz Narberhaus von der Ruhr-Uni Bochum jetzt zumindest teilweise aufgeklärt: Yersinia pestis, Yersinia pseudotuberculosis und Vibrio cholerae enthalten “molekulare Thermometer”. Einfach gesagt sind das Moleküle, die bei kühleren Temperaturen anders aussehen als bei höheren. Dringen die Bakterien in unseren Körper ein, erwärmen sie sich schnell auf unsere Körpertemperatur, also 37 °C. Die Thermometer-Moleküle ändern daraufhin ihre Gestalt und das ist das Angriffssignal – die Pest bricht in uns aus!

Wie funktioniert das genau? Bei den Thermometer-Molekülen handelt es sich um RNA. Das sind Kopien von Genen, die auf der DNA liegen. Die Gene auf unserer DNA stellen Baupläne für Proteine dar. So ein Bauplan darf aber nicht im Original, also als Gen selbst, verwendet werden, sondern es wird eine Kopie gemacht, eben die RNA. Der Bauplan auf der RNA wird von einem Enzym abgelesen, das nach dieser Info dann das Protein herstellt. Dabei kann eine RNA hunderte Male hintereinander abgelesen werden, um viele Exemplare eines Proteins herzustellen. Dasselbe passiert auch in den Bakterien, wenn sie Krankheiten auslösen: Die Bakterien brauchen die Proteine, die so hergestellt werden, um unseren Körper zu befallen. Die RNA für diese Proteine kann nun in zwei Zuständen vorliegen: offen und bereit für die Proteinproduktion oder zusammengefaltet und damit unzugänglich für das Enzym, das sie abliest. Und ihr habt es sicher schon erraten, bei Temperaturen um die 37 °C ist die RNA offen, bei niedrigeren Temperaturen ist sie zusammengefaltet. So wird das Bakterium erst so richtig aktiv, nachdem es in unseren Körper gelangt ist. Die Faltung erfolgt durch Verbindungen, die einzelne Wasserstoffatome innerhalb der selben RNA miteinander schließen. Bei höheren Temperaturen werden diese Verbindungen instabil und die RNA schmilzt regelrecht auf.

Die Frage aller Fragen: Kann man das für Medikamente benutzen? Zwei Antworten: “Ja” und “Noch nicht”. Prinzipiell ist es nicht schwierig, Wirkstoffe herzustellen, die das Aufschmelzen der RNA verhindern und damit die Bakterien zur Untätigkeit zwingen. Das Problem ist jedoch, diese Wirkstoffe halbwegs gezielt durch den Körper zu den Bakterien zu bringen. Und dann müssen sie ihn auch noch aufnehmen. Das ist gar nicht so einfach, eine Bakterienzelle – so wie alle Zellen aller Lebwesen – nehmen nicht einfach so irgendeinen Stoff auf, der gerade vorbeischwimmt. Er könnte ja giftig sein. Was in diesem Fall genau der Zweck wäre. Aber um herauszufinden, wie man die Bakterien so auszutricksen kann, dass die so ein Medikament aufnehmen, müssen Wissenschaftler noch ein bisschen weiterforschen. Immerhin, ein Anfang ist gemacht!

Für die Streber unter uns gibt es hier die Original-Publikation (leider nur, wenn man registriert ist): www.pnas.org/content/early/2016/06/10/1523004113.abstract
Righetti F, et al. Proc Natl Acad Sci USA. (2016 Jun 13)

Blasen im MRT

Sprechen_MRT_ScreenshotDie Abkürzung “MRT” hat jeder bestimmt schonmal gehört. Die drei Buchstaben stehen für das Wort “Magnetresonanztomografie”.Bei einem Magnetresonanztomografen handelt es sich um eine der berüchtigten “Röhren”, in die man geschoben wird, wenn die Ärzte nicht so richtig wissen, was man hat. Anders als die Computertomografie – auch so eine “Röhre” im Krankenhaus – arbeitet die MRT nicht mit eventuell schädlicher Röntgenstrahlung, sondern mit Magnetfeldern. In der folgenden Box könnt ihr nachlesen, wie MRT funktioniert.



Box: So funktioniert MRT

Die Technik der Magnetresonanztomografie macht sich drei Eigenschaften der Wasserstoff-Atomkerne in unserem Körper zu Nutze: 1) Wasserstoff-Atome kommen in jedem unserer Organe vor. 2) Wasserstoff-Atomkerne drehen sich um sich selbst, wie ein Kreisel. Das nennet man “Spin” oder auch “Kernspin”. 3) Durch diesen Spin haben Wasserstoff-Atomkerne ein kleines Magentfeld um sich herum.
Wird der Körper nun einem statischen (feststehenden) Magnetfeld ausgesetzt, wie es im MRT geschieht, richten die eigenen Magnetfelder der Atomkerne sich in diesem umgebenden Magnetfeld aus. Wenn nun zusätzlich ein kurzer magnetischer Impuls gegeben wird, der eine andere Richtung als das statische Magnetfeld hat, fangen die sich drehenden Atomkerne mit ihrem winzigen Magnetfeld an zu “eiern”. Man kann es sich so vorstellen, als ob man zwei Magnete an einen Kreisel klebt, einmal mit dem Pluspol nach außen und einmal mit dem Minuspol nach außen. Man bringt den Kreisel in Drehung – das ist der Spin – und nähert sich dann ganz kurz mit einem weiteren Magneten dem Kreisel an. Die Magnete am Kreisel werden durch den sich nähernden Magneten angezogen oder abgestoßen und der Kreisel gerät kurz ins Eiern.

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Dieses “Eiern” – der korrekte Ausdruck ist “Präzession” – unserer Atomkerne verursacht eine kleine elektrische Spannung, die gemessen werden kann. Aus diesen Messungen wird schließlich das endgültige Bild errechnet. Doch wozu braucht man das statische Magentfeld, wenn der kurze magnetische Impuls das Entscheidende ist? Ganz einfach. Stellt euch vor, ihr habt viele Kreisel, die sich alle drehen. Aber die Magnete aller Kreisel sind nicht zur selben Zeit am selben Ort. Wenn ihr euch jetzt mit einem großen Magneten allen Kreiseln zugleich nähert, werden sie zwar eiern (“präzedieren”), aber alle in unterschiedliche Richtungen. Und im MRT müssen alle Atomkerne gleichzeitig kurz in dieselbe Richtung präzedieren. Durch das statische Magnetfeld werden die Magnetfelder der Atomkerne also alle gleich ausgerichtet, damit sie dann durch den hinzugegebenen kurzen magnetischen Impuls alle zur selben Zeit in dieselbe Richtung eiern.Abb2



Wenn man aus der “Röhre” wieder rauskommt, hat der Arzt ein Graustufen-Bild auf dem Computerbildschirm, das einen Schnitt durch den Körper zeigt. Dafür ist ein MRT also nützlich – es zeigt das Körperinnere, ohne, dass man unters Messer muss. Eine klassische MRT-Aufnahme dauert mehrere Sekunden. Da der Arzt viele Aufnahmen machen muss, um zu sehen, was mit einem los ist, liegt man teilweise ganz schön lange im MRT. besonders für Leute mit Klaustrophobie kann das sehr unangenehm sein. Außerdem ist das Ergebnis ein Standbild. Für manche Krankheiten und innere Verletzungen wäre es aber extrem hilfreich, wenn man im MRT Filme vom Körperinneren aufnehmen könnte, und somit dem Körper quasi “live” bei der Arbeit zuschauen könnte.

Jens Frahm, Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen, hat bereits in den Achtigzerjahren des letzten Jahrhunderts eine Methode entwickelt, mit der MRT-Aufnahmen 100 mal schneller gemacht werden können, genannt FLASH. Bevor der Physiker und sein Team diese Technik entwickelt hatten, dauerte eine Aufnahme so lange, dass man das MRT im Krankenhaus nicht benutzen konnte.

In den Jahrzehnten, die seitdem vergangen sind, haben Jens Frahm und seine Arbeitsgruppe diese Technik so weit vorangetrieben, dass eine Aufnahme jetzt sogar nur noch 20 bis 30 Millisekunden dauert, das ist schnell genug für einen Film. Der Traum von der Liveschaltung ins Körperinnere ist also wahr geworden. Und die Videos, die Jens Frahm und andere Wissenschaftler und Ärzte mit dieser Technik aufgenommen haben, sind nicht nur aufschlussreich, sondern teilweise auch ziemlich skurril.

So sieht zum Beispiel ein Längsschnitt durch den Kopf eines sprechenden Menschen aus (am Ende leckt der Proband sich die Lippen und schluckt):

Das große, weiße Ding im Zentrum des Bildes ist übrigens die Zunge. Falls jemand herausfindet (oder einfach nur eine Idee hat), was derjenige sagt, freue ich mich über einen Kommentar unter diesem Beitrag!

Auch Filme vom Schluckvorgang wurden bereits aufgenommen; vor allem davon, was im Körper passiert, wenn ein Schluck von der Speiseröhre in den Magen übergeht. Die so gewonnen Erkenntnisse sollen helfen, die Ursachen für das Volksleiden Sodbrennen zu klären. Die Gründe können recht unterschiedlich sein, darum ist es von immensem Vorteil, wenn jeder Patient eine individuelle Diagnose und entsprechende Behandlung bekommt – Echtzeit-MRT sei Dank!

Ein eher unbekanntes und deutlich weniger weit verbreitetes Leiden ist die fokale Dystonie bei Musikern. Dabei handelt es sich um ein Nervenleiden, bei dem Musiker Lähmungen in genau dem Körperteil erfahren, mit dem sie ihr Instrument spielen – und zwar nur dann, wenn sie zum Spiel ansetzen. Ein Pianist hätte also Lähmungen in Händen und Unterarmen, ein Trompeter in Lippen oder Zunge. Letzterem gingen Jens Frahm und sein Team genauer auf den Grund. Dazu luden sie einige Blechbläser – einen Trompeter, einen Posaunisten, einen Hornisten und einen Tubisten (=Tubaspieler) – ein, ihr Instrument zu spielen, während sie im Echtzeit-MRT lagen. Jeder spielte eine festgelegte Tonreihe. Da die echten Instrumente doch nicht mit in die Röhre passten, wurde den Musikern eine Plastiktröte in die Hand gedrückt. Dann wurde mithilfe der Echtzeit-Technik gefilmt, wie genau jeder Instrumentalist die Zunge bewegt, um die Tonfolge zu spielen. Dabei gab es einige Unterschiede im Timing und der Richtung der Zungenbewegung, die anhand der Bilder aus dem MRT genauestens gemessen und ausgewertet wurden. Hier habe ich ein Video vom YouTube-Kanal der Hornistin Sarah Willis eingefügt, die ihre Künste im Rahmen einer ähnlichen Studie von Jens Frahm bewiesen hat. Da kann man die Zungenbewegungen prima sehen. (Die ersten 25 Sekunden des Videos sind zwar auf englisch, aber Musik ist ja bekanntlich eine internationale Sprache)


Aber wozu das Ganze? Obwohl diese Studie ein bisschen aussieht wie ein verzeifelter Versuch, sich für den Ig Nobelpreis zu qualifizieren, hat sie doch einen sinnvollen Zweck: Kaum eine Tätigkeit erzeugt so schnelle, willkürlich verursachte Zungenbewegungen wie das Spielen eines Blasinstrumentes. Diese Studie ist also hervorragend geeignet, die Welt von den zeitlich hochaufgelösten Bildern des Echtzeit-MRT zu überzeugen. Ich hoffe zwar, dass ich oder meine Freunde und Familie nie ein MRT nötig haben, aber ich bin begeistert von dieser neuen Technik! Sie wird zur Zeit gemeinsam mit Ärzten an Patienten getestet und hält hoffentlich bald Einzug in die Krankenhäuser.

Und zum Schluss: Beatboxing im Echtzeit-MRT. Weil’s geht.
(Video der Speech Knowledge and Articulation Group (SPAN), University of Southern California (sail.usc.edu/span))

+++ Verkaufe: Nobelpreis, gut erhalten, politisch etwas angekratzt +++

nobe_sheetlSo ein Nobelpreis auf dem Kaminsims oder gerahmt überm Sofa, das wäre doch was! Wenn da nicht dieses lästige Problem wäre, dass man einen weltbewegenden wissenschaftlichen Durchbruch machen muss… Aber man darf aufatmen, es gibt eine einfachere Lösung: Wer knapp 5 Millionen Dollar auf der hohen Kante hatte, konnte sich vergangenen November einfach einen Nobelpreis ersteigern. Und wenn man Verwandte hat, die ein bisschen hinter dem Mond leben, kann man ihnen beim nächsten Besuch vielleicht sogar weismachen, dass man vor einigen Jahrzehnten eigenhändig die Struktur der DNA aufgeklärt hat.

Dafür bekam der Biologe James Watson nämlich seinen Nobelpreis. Gemeinsam mit seinen Kollegen Francis Crick, Maurice Wilkins und Rosalind Franklin (die bei der Nobelpreisnominierung mal eben ignoriert wurde) konnte er 1953 die Struktur der DNA-Doppelhelix zeigen.

Diese wissenschaftliche Entdeckung wurde vielfach als „die wichtigste des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet und 1962 mit dem Nobelpreis für Physiologie oder Medizin geehrt. Und doch entschied sich James Watson vergangenes Jahr dafür, das gute Stück zu verkaufen. Die anderen beiden brauchte er nicht fragen, die sind inzwischen verstorben. James Watson ist damit der einzige noch lebende Wissenschaftler, der jemals seinen Nobelpreis verkauft hat.

Wie kommt man auf so eine Idee, das Symbol für die größte Errungenschaft seines Lebens herzugeben? Er hat wohl versucht, etwas wiedergutzumachen. Im Jahre 2007 sagte er in einem Interview mit der Sunday Times, dass Afrikaner genetisch bedingt im Durchschnitt weniger intelligent seien als Europäer und fügte hinzu „Nur, weil wir gerne wollen, dass alle Menschen gleichermaßen intelligent sind, ist das nicht automatisch so.“ Da mag er Recht haben, aber der Kommentar über die Intelligenzunterschiede zwischen Europäern und Afrikanern kam gar nicht gut an. Watson musste seinen Posten als Direktor des Cold Spring Harbor Laboratory in New York räumen, den er seit 1976 innegehabt hatte. Dieser Verlust seiner Position brachte finanzielle Konsequenzen mit sich. Trotzdem hat Watson einen Teil der Erlöse aus der Versteigerung an wissenschaftliche Einrichtungen gespendet, wie die University of Chicago, wo er selbst studierte, oder das Clare College Cambridge, wo er seine bahnbrechende Entdeckung über die Struktur der DNA machte. Ob es James Watsons Ruf wieder auf die Sprünge hilft, wird sich zeigen. Schade, dass eine so große Karriere, getragen von dieser unglaublich wichtigen Entdeckung, so bitter enden muss.