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Blasen im MRT

Sprechen_MRT_ScreenshotDie Abkürzung “MRT” hat jeder bestimmt schonmal gehört. Die drei Buchstaben stehen für das Wort “Magnetresonanztomografie”.Bei einem Magnetresonanztomografen handelt es sich um eine der berüchtigten “Röhren”, in die man geschoben wird, wenn die Ärzte nicht so richtig wissen, was man hat. Anders als die Computertomografie – auch so eine “Röhre” im Krankenhaus – arbeitet die MRT nicht mit eventuell schädlicher Röntgenstrahlung, sondern mit Magnetfeldern. In der folgenden Box könnt ihr nachlesen, wie MRT funktioniert.



Box: So funktioniert MRT

Die Technik der Magnetresonanztomografie macht sich drei Eigenschaften der Wasserstoff-Atomkerne in unserem Körper zu Nutze: 1) Wasserstoff-Atome kommen in jedem unserer Organe vor. 2) Wasserstoff-Atomkerne drehen sich um sich selbst, wie ein Kreisel. Das nennet man “Spin” oder auch “Kernspin”. 3) Durch diesen Spin haben Wasserstoff-Atomkerne ein kleines Magentfeld um sich herum.
Wird der Körper nun einem statischen (feststehenden) Magnetfeld ausgesetzt, wie es im MRT geschieht, richten die eigenen Magnetfelder der Atomkerne sich in diesem umgebenden Magnetfeld aus. Wenn nun zusätzlich ein kurzer magnetischer Impuls gegeben wird, der eine andere Richtung als das statische Magnetfeld hat, fangen die sich drehenden Atomkerne mit ihrem winzigen Magnetfeld an zu “eiern”. Man kann es sich so vorstellen, als ob man zwei Magnete an einen Kreisel klebt, einmal mit dem Pluspol nach außen und einmal mit dem Minuspol nach außen. Man bringt den Kreisel in Drehung – das ist der Spin – und nähert sich dann ganz kurz mit einem weiteren Magneten dem Kreisel an. Die Magnete am Kreisel werden durch den sich nähernden Magneten angezogen oder abgestoßen und der Kreisel gerät kurz ins Eiern.

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Dieses “Eiern” – der korrekte Ausdruck ist “Präzession” – unserer Atomkerne verursacht eine kleine elektrische Spannung, die gemessen werden kann. Aus diesen Messungen wird schließlich das endgültige Bild errechnet. Doch wozu braucht man das statische Magentfeld, wenn der kurze magnetische Impuls das Entscheidende ist? Ganz einfach. Stellt euch vor, ihr habt viele Kreisel, die sich alle drehen. Aber die Magnete aller Kreisel sind nicht zur selben Zeit am selben Ort. Wenn ihr euch jetzt mit einem großen Magneten allen Kreiseln zugleich nähert, werden sie zwar eiern (“präzedieren”), aber alle in unterschiedliche Richtungen. Und im MRT müssen alle Atomkerne gleichzeitig kurz in dieselbe Richtung präzedieren. Durch das statische Magnetfeld werden die Magnetfelder der Atomkerne also alle gleich ausgerichtet, damit sie dann durch den hinzugegebenen kurzen magnetischen Impuls alle zur selben Zeit in dieselbe Richtung eiern.Abb2



Wenn man aus der “Röhre” wieder rauskommt, hat der Arzt ein Graustufen-Bild auf dem Computerbildschirm, das einen Schnitt durch den Körper zeigt. Dafür ist ein MRT also nützlich – es zeigt das Körperinnere, ohne, dass man unters Messer muss. Eine klassische MRT-Aufnahme dauert mehrere Sekunden. Da der Arzt viele Aufnahmen machen muss, um zu sehen, was mit einem los ist, liegt man teilweise ganz schön lange im MRT. besonders für Leute mit Klaustrophobie kann das sehr unangenehm sein. Außerdem ist das Ergebnis ein Standbild. Für manche Krankheiten und innere Verletzungen wäre es aber extrem hilfreich, wenn man im MRT Filme vom Körperinneren aufnehmen könnte, und somit dem Körper quasi “live” bei der Arbeit zuschauen könnte.

Jens Frahm, Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen, hat bereits in den Achtigzerjahren des letzten Jahrhunderts eine Methode entwickelt, mit der MRT-Aufnahmen 100 mal schneller gemacht werden können, genannt FLASH. Bevor der Physiker und sein Team diese Technik entwickelt hatten, dauerte eine Aufnahme so lange, dass man das MRT im Krankenhaus nicht benutzen konnte.

In den Jahrzehnten, die seitdem vergangen sind, haben Jens Frahm und seine Arbeitsgruppe diese Technik so weit vorangetrieben, dass eine Aufnahme jetzt sogar nur noch 20 bis 30 Millisekunden dauert, das ist schnell genug für einen Film. Der Traum von der Liveschaltung ins Körperinnere ist also wahr geworden. Und die Videos, die Jens Frahm und andere Wissenschaftler und Ärzte mit dieser Technik aufgenommen haben, sind nicht nur aufschlussreich, sondern teilweise auch ziemlich skurril.

So sieht zum Beispiel ein Längsschnitt durch den Kopf eines sprechenden Menschen aus (am Ende leckt der Proband sich die Lippen und schluckt):

Das große, weiße Ding im Zentrum des Bildes ist übrigens die Zunge. Falls jemand herausfindet (oder einfach nur eine Idee hat), was derjenige sagt, freue ich mich über einen Kommentar unter diesem Beitrag!

Auch Filme vom Schluckvorgang wurden bereits aufgenommen; vor allem davon, was im Körper passiert, wenn ein Schluck von der Speiseröhre in den Magen übergeht. Die so gewonnen Erkenntnisse sollen helfen, die Ursachen für das Volksleiden Sodbrennen zu klären. Die Gründe können recht unterschiedlich sein, darum ist es von immensem Vorteil, wenn jeder Patient eine individuelle Diagnose und entsprechende Behandlung bekommt – Echtzeit-MRT sei Dank!

Ein eher unbekanntes und deutlich weniger weit verbreitetes Leiden ist die fokale Dystonie bei Musikern. Dabei handelt es sich um ein Nervenleiden, bei dem Musiker Lähmungen in genau dem Körperteil erfahren, mit dem sie ihr Instrument spielen – und zwar nur dann, wenn sie zum Spiel ansetzen. Ein Pianist hätte also Lähmungen in Händen und Unterarmen, ein Trompeter in Lippen oder Zunge. Letzterem gingen Jens Frahm und sein Team genauer auf den Grund. Dazu luden sie einige Blechbläser – einen Trompeter, einen Posaunisten, einen Hornisten und einen Tubisten (=Tubaspieler) – ein, ihr Instrument zu spielen, während sie im Echtzeit-MRT lagen. Jeder spielte eine festgelegte Tonreihe. Da die echten Instrumente doch nicht mit in die Röhre passten, wurde den Musikern eine Plastiktröte in die Hand gedrückt. Dann wurde mithilfe der Echtzeit-Technik gefilmt, wie genau jeder Instrumentalist die Zunge bewegt, um die Tonfolge zu spielen. Dabei gab es einige Unterschiede im Timing und der Richtung der Zungenbewegung, die anhand der Bilder aus dem MRT genauestens gemessen und ausgewertet wurden. Hier habe ich ein Video vom YouTube-Kanal der Hornistin Sarah Willis eingefügt, die ihre Künste im Rahmen einer ähnlichen Studie von Jens Frahm bewiesen hat. Da kann man die Zungenbewegungen prima sehen. (Die ersten 25 Sekunden des Videos sind zwar auf englisch, aber Musik ist ja bekanntlich eine internationale Sprache)


Aber wozu das Ganze? Obwohl diese Studie ein bisschen aussieht wie ein verzeifelter Versuch, sich für den Ig Nobelpreis zu qualifizieren, hat sie doch einen sinnvollen Zweck: Kaum eine Tätigkeit erzeugt so schnelle, willkürlich verursachte Zungenbewegungen wie das Spielen eines Blasinstrumentes. Diese Studie ist also hervorragend geeignet, die Welt von den zeitlich hochaufgelösten Bildern des Echtzeit-MRT zu überzeugen. Ich hoffe zwar, dass ich oder meine Freunde und Familie nie ein MRT nötig haben, aber ich bin begeistert von dieser neuen Technik! Sie wird zur Zeit gemeinsam mit Ärzten an Patienten getestet und hält hoffentlich bald Einzug in die Krankenhäuser.

Und zum Schluss: Beatboxing im Echtzeit-MRT. Weil’s geht.
(Video der Speech Knowledge and Articulation Group (SPAN), University of Southern California (sail.usc.edu/span))

Die Superbabies kommen…

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Das obere Bild illustriert das Horrorszenario in den Köpfen vieler, wenn sie “Forschung an menschlichen Embryonen” hören. Es wird aber lediglich an kleinen Gruppen von Zellen sehr früher Embryonen geforscht. (Fotos:commons.wikimedia.org)

…erstmal nicht. In Großbritannien wurde vor wenigen Tagen die Erlaubnis gegeben, menschliche Embryonen genetisch zu verändern, das gab es nie zuvor. Sofort haben sich Stimmen geregt, die Bedenken aussprachen, jetzt könnten Supermenschen designt werden. Aber diese Angst ist unbegründet und ich möchte euch erklären, warum.

Zunächst einmal wurde die Erlaubnis nur einem einzigen Forschungsteam am Londonder Francis Crick-Institut erteilt. Geleitet wird dieses Team von der Molekularbiologin Kathy Niakan. Sie möchte die recht neu entwickelte CRISPR-Cas9-Methode nutzen, um gezielt einzelne Gene des menschlichen Genoms so verändern und die Auswirkung dieser Veränderung auf die menschliche Embryonalentwicklung zu studieren. Doch was bedeutet all das genau?

Beginnen wir beim Thema “Gene”. Ein Gen ist ein Teil der DNA eines Lebewesens. Auf der DNA ist all die Information gespeichert, die notwendig ist, um dieses Lebewesen zu “bauen”. Also zum Beispiel, wie groß man ist, welche Gesichtsform man hat, welche Haarfarbe, etc. Unser Körper ist zu einem goßen Teil aus Proteinen, also Eiweißstoffen aufgebaut. Doch Proteine sind nicht nur die Baustoffe unseres Körper, sie stellen auch viele “Arbeiter”, die dafür sorgen, dass unser Körper funktioniert.
Diese funktionellen Proteine, Enzyme genannt, sind auch wesentlich an der Entwicklung eines gesunden menschlichen Babies aus einer befruchteten Eizelle beteiligt. Und wenn eines dieser Enzyme nicht richtig funktioniert, können schwere Entwicklungsdefekte entstehen. Frühe Defekte, die bei den ersten Teilungen der befruchteten Eizelle auftreten, können die Eizelle an der Einnistung in die Plazenta hindern oder den jungen Embryo so stark schädigen, dass er abstirbt. Solche frühen Defekte sorgen für einige Arten der weiblichen Unfruchtbarkeit und einen Großteil der Fehlgeburten. Schätzungen zufolge entwickeln sich nur 13 % der befruchteten Eizellen über den dritten Schwangerschaftmonat hinaus!

Über die Gründe für diese zahlreichen früh scheiternden Schwangerschaften ist sehr wenig bekannt – und das möchte Niakan mit ihrer Forschung ändern. Was ist nun die CRISPR-Cas9-Methode?
Es handelt sich dabei um eine recht neu entwickelte Methode für die ganz gezielte Veränderung von Genen. Bis vor einigen Jahren war die Veränderung von Genen noch sehr schwierig und ungenau, mit extrem geringen Erfolgsraten. Etwa so, wie wenn man eine Reihe Dosen hat und eine bestimmte Dose wegschießen will, aber leider nur eine Schrotflinte zur Verfügung hat. Mit CRISPR-Cas9 wurde Wissenschaftlern in aller Welt nun ein Präzisionsgewehr mit Zielfernrohr in die Hand gegeben. Es funktioniert buchstäblich wie ausschneiden und einkleben. Man kann perfekt den Teil eines Gens entfernen, den man will und dafür etwas beliebiges anderes einfügen, oder den ausgeschnittenen Teil einfach löschen. Ich weiß wovon ich rede, ich habe die Methode im Labor selbst angewendet – allerdings an Fruchtfliegen – und es hat hervorragend funktioniert! Und nur mit einer solch genauen Methode ist es überhaupt sinnvoll, an menschlichen Embryonen zu forschen. Denn nur, wenn man ganz genau kontrollieren kann, welche Gene man verändert und auf welche Weise, kann man verlässliche Aussagen treffen. Niakan und ihre Kollegen können nun also erforschen, welche Gene für die frühe menschliche Embryonalentwicklung wichtig sind, und warum. Sie hoffen, damit die Erfolgsraten für natürliche und künstliche Befruchtung langfristig zu erhöhen. Und wenn man bedenkt, dass Frauen in den Industrieländern sich immer später im Leben für Kinder entscheiden, wenn die Fruchtbarkeit bereits eingeschränkt ist, ist diese Forschung umso wichtiger. Schon jetzt wird jedes 80. Kind in Deutschland durch künstliche Befruchtung gezeugt!

Und aus der künstlichen Befruchtung, in der Fachsprache in vitro-Fertilisation, kurz IVF (“im Glas-Befruchtung”) kommen auch die Embryonen, die Niakan und ihr Team verwenden werden. Für jede Frau, die IVF in Anspruch nimmt, werden mehr Embryonen befruchtet, als eingepflanzt werden – falls etwas schief geht. Die übrigen Embryonen durften bereits zuvor gespendet werden, zum Beispiel an Frauen, die selbst keine gesunden Eizellen hatten. Von nun an können Frauen in England die nicht eingepflanzten Embryonen auch dem Labor von Kathy Niakan spenden. Dort muss dann zügig gearbeitet werden, denn Niakan möchte sich die ersten sieben Tage der menschlichen Embryonalentwicklung genau anschauen. Die Embryos müssen nach spätestens 14 Tagen vernichtet werden und dürfen selbstverständlich keiner Frau eingepflanzt werden. Die Wissenschaftler dürfen auch nicht einfach wild drauflosforschen – jedes geplante Experiment, jedes untersuchte Gen muss zuerst dem Ethikrat vorgestellt werden, der in jedem Fall einzeln beschließt, ob das Experiment dem Erkenntnisgewinn dient und ethisch vertretbar ist.

Seit vielen Jahrzehnten versuchen Wissenschaftler in aller Welt, die menschliche Embryonalentwicklung besser zu verstehen. Bisher war das nur an Hand von Tiermodellen möglich. Ich selbst habe für genau diese Forschung die Fruchtfliege verwendet. Doch letztendlich kann man die Ergebnisse aus solchen Modellorganismen nicht uneingeschränkt auf en Menschen übertragen. Kathy Niaka und ihr Team können diese Lücke nun vielleicht schließen.

Trotz allen Regeln und Beschränkungen, denen die Forschung an menschlichen Embryonen nun noch unterliegt, denke ich persönlich, dass irgendwann einer Frau ein genetisch veränderter Embryo eingepflanzt wird. Ich glaube, dass es sich um einen Embryo handeln wird, bei dem einige krankhaft veränderte Gene repariert wurden. Und wer weiß, wohin das führt. Denn wir tun letztendlich doch alles, was möglich ist. Wir sind einfach zu neugierig, zu begierig auf Fortschritt, um es nicht zu tun. Versteht mich nicht falsch, ich bin absolut für diese Forschung. Aber ich gehe einfach davon aus, dass es immer weitere Kreise ziehen wird. Ich sehe dem recht zuversichtlich entgegen, schließlich bin auch ich nur eine neugierige Forscherin!

10 Jahre danach: Der “Hobbit” – ein Einzelfund oder doch eine neue Menschenspezies?

Vor 10 Jahren wurde in der wissenschaftlichen Zeitschrift Nature ein bahnbrechender Artikel veröffentlicht – Archäologen fanden Teile des Skeletts eines Urmenschen in einer Höhle in Indonesien. Zunächst einmal nichts allzu besonderes. Doch dieser Urmensch, ein Erwachsener, war ungewöhnlich klein und hatte Merkmale, die von keinem anderen Urmenschen bekannt waren. Die Wissenschaftler um Mike Morwood und Raden Soejono konnten sich zunächst keinen Reim darauf machen.

Es gibt zwei Dinge, die historische wissenschaftliche Funde erstaunlich oft kennzeichnen: Sie sind dem Zufall geschuldet (z.B. die Entdeckung des Penicillin durch eine schimmlige Kaffeetasse) oder ihre Bedeutung wird zunächst nicht erkannt (wie die Himmelsscheibe von Nebra, die anfangs für einen Blechdeckel gehalten wurde). Auch der Fund des “Hobbit” war zufällig und wurde erst einmal nicht als die Sensation erkannt, die er war. Die Archäologen führten die Ausgrabungen in Indonesien eigentlich durch, um Hinweise darüber zu finden, mit welchen Mitteln der moderne Mensch vor tausenden von Jahren von Asien nach Australien reiste. Stattdessen fanden sie in sechs Metern Grabungstiefe ein menschliches Skelett.

Die geringe Körpergröße von etwa einem Meter ließ die Forscher vermuten, es handle sich um ein Kind. Doch der Knochenbau sprach für einen Erwachsenen. Außerdem hatte er ein Schädelvolumen von ca. 400 cm3, etwa ein Drittel der Größe des modernen Menschenhirns. Nichts schien ins Bild der bisher bekannten Urmschenspezies zu passen, die letzten menschlichen Vorfahren dieser Größe gehörten zur Gattung Australopithecus, einem sehr frühen menschlichen Vorfahren, der vor etwa 2 Millionen Jahren ausstarb. Die Skelettteile waren jedoch, laut Altersbestimung mit der Radiokarbonmethode, nur 18.000 Jahre alt. Ein Experte musste her.

Die Forscher schickten eine Zeichnung an Peter Brown, einen Urmenschenexperte aus Australien. Brown sagte sinngemäß: “Die verstanden dort nicht viel von menschlichen Skeletten. Die Zeichnung hätte genausogut eine griechischen Vase darstellen können. Aber ich bin trotzdem nach Jakarta geflogen, weil ich das Essen und die Kultur mag. Ich hatte allerdings nicht erwartet, irgendetwas interessantes zu finden.” Doch als Brown den Unterkiefer sah, der zu dem Skelett gehörte, änderte seine Meinung sich schlagartig. Mit seiner Hilfe konnte das zerbrechliche Skelett gereinigt, stabilisiert und schließlich eingehend untersucht werden. Die Forscher des Ausgrabungs- und Untersuchungsteams waren sich einig: Es handelte sich um eine bisher unbekannte Spezies von Urmensch.

Nun musste noch ein Name gefunden werden, ein wissenschaftlicher und ein einfacherer für die Veröffentlichung des Fundes in Zeitung und Fernsehen. Auf “Hobbit” konnte man sich als Alltagsnamen des kleinen Urmenschen schnell einigen. Von der Idee, den wissenschaftlichen Namen “Homo hobbituszu wählen, war Brown jedoch nicht begeistert. Schließlich wurde die neue Menschenart nach ihrem Fundort, der indonesischen Insel Flores benannt: Homo floresiensis.

Und alles wäre wunderbar, wenn die Geschichte unseres Hobbit-Vorfahren hier enden würde. Doch so einfach ist es nun einmal nicht im Leben, und schon gar nicht in der Wissenschaft. Maciej Henneberg, ein Urmenschenforscher aus Polen, der jedoch in Australien lebt und lehrt, zweifelte ernsthaft daran, dass es sich bei Homo floresiensis um eine neue Menschenart handelte. Er veranlasste, dass der Schädel in ein anderes Labor gebracht wurde. Dort wurden Abgüsse gemacht, wobei der Schädel stark beschädigt wurde. Henneberg war überzeugt, dieses Exemplar eines Urmenschen habe an einer Fehlentwicklung des Schädels gelitten, einer sogenannten Mikroenzephalie (zu dt. etwa “kleiner Kopf”). Laut Henneberg handelte es sich also um einen fehlgebildeten Schädel einer bereits bekannten Urmenschenart. Diese Theorie konnten die Forscher um Mike Morwood jedoch widerlegen, mithilfe von Vergleichen des Hobbitschädels mit modernen Beispielen von Mikroenzephalie – die Merkmale passten nicht. Damit gab sich Henneberg aber nicht geschlagen, er verglich Schädelmaße von Menschen, die am Down-Syndrom litten mit dem Hobbit und kam als nächstes zu dem Schluss, dass der kleine Menschenvorfahre das Down-Syndrom gehabt habe. “Es gab kein Merkmal an diesem Schädelfossil, das nicht passte.” Doch auch diese Theorie hielt weiteren Untersuchungen nicht stand, denn der Schädel war nicht das einzigie ungewöhnliche Merkmal des Hobbit.

Die Füße waren beispielsweise recht groß und so gebaut, dass man annimmt, bei Homo floresiensis handelte es sich um einen geschickten Kletterer. Das mag nicht überraschen, da die indonesische Insel Flores, die Heimat des Hobbit, recht bergig ist und die Höhle, in der er gefunden wurde, 500 m über dem Meeresspiegel liegt.

Die Kontroverse um den Hobbit ist noch nicht beendet, doch mehr und mehr Wissenschaftler, die das Fossil untersuchen, sind überzeugt, es handele sich um eine bisher unbekannte Spezies von Urmensch. Inzwischen wurden 13 weitere Skelette dieser Art auf Flores gefunden. Es sieht ganz so aus, als würde die Geschichte der menschlichen Evolution um ein Kapitel erweitert.