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Die Superbabies kommen…

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Das obere Bild illustriert das Horrorszenario in den Köpfen vieler, wenn sie “Forschung an menschlichen Embryonen” hören. Es wird aber lediglich an kleinen Gruppen von Zellen sehr früher Embryonen geforscht. (Fotos:commons.wikimedia.org)

…erstmal nicht. In Großbritannien wurde vor wenigen Tagen die Erlaubnis gegeben, menschliche Embryonen genetisch zu verändern, das gab es nie zuvor. Sofort haben sich Stimmen geregt, die Bedenken aussprachen, jetzt könnten Supermenschen designt werden. Aber diese Angst ist unbegründet und ich möchte euch erklären, warum.

Zunächst einmal wurde die Erlaubnis nur einem einzigen Forschungsteam am Londonder Francis Crick-Institut erteilt. Geleitet wird dieses Team von der Molekularbiologin Kathy Niakan. Sie möchte die recht neu entwickelte CRISPR-Cas9-Methode nutzen, um gezielt einzelne Gene des menschlichen Genoms so verändern und die Auswirkung dieser Veränderung auf die menschliche Embryonalentwicklung zu studieren. Doch was bedeutet all das genau?

Beginnen wir beim Thema “Gene”. Ein Gen ist ein Teil der DNA eines Lebewesens. Auf der DNA ist all die Information gespeichert, die notwendig ist, um dieses Lebewesen zu “bauen”. Also zum Beispiel, wie groß man ist, welche Gesichtsform man hat, welche Haarfarbe, etc. Unser Körper ist zu einem goßen Teil aus Proteinen, also Eiweißstoffen aufgebaut. Doch Proteine sind nicht nur die Baustoffe unseres Körper, sie stellen auch viele “Arbeiter”, die dafür sorgen, dass unser Körper funktioniert.
Diese funktionellen Proteine, Enzyme genannt, sind auch wesentlich an der Entwicklung eines gesunden menschlichen Babies aus einer befruchteten Eizelle beteiligt. Und wenn eines dieser Enzyme nicht richtig funktioniert, können schwere Entwicklungsdefekte entstehen. Frühe Defekte, die bei den ersten Teilungen der befruchteten Eizelle auftreten, können die Eizelle an der Einnistung in die Plazenta hindern oder den jungen Embryo so stark schädigen, dass er abstirbt. Solche frühen Defekte sorgen für einige Arten der weiblichen Unfruchtbarkeit und einen Großteil der Fehlgeburten. Schätzungen zufolge entwickeln sich nur 13 % der befruchteten Eizellen über den dritten Schwangerschaftmonat hinaus!

Über die Gründe für diese zahlreichen früh scheiternden Schwangerschaften ist sehr wenig bekannt – und das möchte Niakan mit ihrer Forschung ändern. Was ist nun die CRISPR-Cas9-Methode?
Es handelt sich dabei um eine recht neu entwickelte Methode für die ganz gezielte Veränderung von Genen. Bis vor einigen Jahren war die Veränderung von Genen noch sehr schwierig und ungenau, mit extrem geringen Erfolgsraten. Etwa so, wie wenn man eine Reihe Dosen hat und eine bestimmte Dose wegschießen will, aber leider nur eine Schrotflinte zur Verfügung hat. Mit CRISPR-Cas9 wurde Wissenschaftlern in aller Welt nun ein Präzisionsgewehr mit Zielfernrohr in die Hand gegeben. Es funktioniert buchstäblich wie ausschneiden und einkleben. Man kann perfekt den Teil eines Gens entfernen, den man will und dafür etwas beliebiges anderes einfügen, oder den ausgeschnittenen Teil einfach löschen. Ich weiß wovon ich rede, ich habe die Methode im Labor selbst angewendet – allerdings an Fruchtfliegen – und es hat hervorragend funktioniert! Und nur mit einer solch genauen Methode ist es überhaupt sinnvoll, an menschlichen Embryonen zu forschen. Denn nur, wenn man ganz genau kontrollieren kann, welche Gene man verändert und auf welche Weise, kann man verlässliche Aussagen treffen. Niakan und ihre Kollegen können nun also erforschen, welche Gene für die frühe menschliche Embryonalentwicklung wichtig sind, und warum. Sie hoffen, damit die Erfolgsraten für natürliche und künstliche Befruchtung langfristig zu erhöhen. Und wenn man bedenkt, dass Frauen in den Industrieländern sich immer später im Leben für Kinder entscheiden, wenn die Fruchtbarkeit bereits eingeschränkt ist, ist diese Forschung umso wichtiger. Schon jetzt wird jedes 80. Kind in Deutschland durch künstliche Befruchtung gezeugt!

Und aus der künstlichen Befruchtung, in der Fachsprache in vitro-Fertilisation, kurz IVF (“im Glas-Befruchtung”) kommen auch die Embryonen, die Niakan und ihr Team verwenden werden. Für jede Frau, die IVF in Anspruch nimmt, werden mehr Embryonen befruchtet, als eingepflanzt werden – falls etwas schief geht. Die übrigen Embryonen durften bereits zuvor gespendet werden, zum Beispiel an Frauen, die selbst keine gesunden Eizellen hatten. Von nun an können Frauen in England die nicht eingepflanzten Embryonen auch dem Labor von Kathy Niakan spenden. Dort muss dann zügig gearbeitet werden, denn Niakan möchte sich die ersten sieben Tage der menschlichen Embryonalentwicklung genau anschauen. Die Embryos müssen nach spätestens 14 Tagen vernichtet werden und dürfen selbstverständlich keiner Frau eingepflanzt werden. Die Wissenschaftler dürfen auch nicht einfach wild drauflosforschen – jedes geplante Experiment, jedes untersuchte Gen muss zuerst dem Ethikrat vorgestellt werden, der in jedem Fall einzeln beschließt, ob das Experiment dem Erkenntnisgewinn dient und ethisch vertretbar ist.

Seit vielen Jahrzehnten versuchen Wissenschaftler in aller Welt, die menschliche Embryonalentwicklung besser zu verstehen. Bisher war das nur an Hand von Tiermodellen möglich. Ich selbst habe für genau diese Forschung die Fruchtfliege verwendet. Doch letztendlich kann man die Ergebnisse aus solchen Modellorganismen nicht uneingeschränkt auf en Menschen übertragen. Kathy Niaka und ihr Team können diese Lücke nun vielleicht schließen.

Trotz allen Regeln und Beschränkungen, denen die Forschung an menschlichen Embryonen nun noch unterliegt, denke ich persönlich, dass irgendwann einer Frau ein genetisch veränderter Embryo eingepflanzt wird. Ich glaube, dass es sich um einen Embryo handeln wird, bei dem einige krankhaft veränderte Gene repariert wurden. Und wer weiß, wohin das führt. Denn wir tun letztendlich doch alles, was möglich ist. Wir sind einfach zu neugierig, zu begierig auf Fortschritt, um es nicht zu tun. Versteht mich nicht falsch, ich bin absolut für diese Forschung. Aber ich gehe einfach davon aus, dass es immer weitere Kreise ziehen wird. Ich sehe dem recht zuversichtlich entgegen, schließlich bin auch ich nur eine neugierige Forscherin!