Tag: Origami

Wir basteln mit DNA

http://cdn.medgadget.com/img/daanbox.jpg
aus: Andersen et al., Nature 2009

Wer jetzt an Genmanipulation denkt, liegt ausnahmsweise falsch. Heute geht es buchstäblich ums Basteln – DNA Origami. Das gibt es wirklich und man kann unglaubliche Dinge damit anstellen.

Alles begann 2006, als der Computerwissenschaftler Paul W. K. Rothemund einen Artikel in der Zeitschrift Nature veröffentlichte, in dem er beschrieb, wie man aus DNA zwei- und dreidimensionale Objekte formen kann. Oder eher, wie man die DNA designen muss, damit sie sich selbstständig zu Objekten formt.

Die Grundlage für dieses Phänomen ist die Bindung zwischen den sogenannten DNA-Basenpaaren. Es gibt vier Basen, Adenin, Thymin, Guanin und Cytosin. Kurz werden sie einfach mit den Buchstaben A, T, G und C abgekürzt. Sie sind die Zeichen des genetischen Codes. Der genetische Code speichert die Information darüber, wie ein bestimmter Organismus aufgebaut ist, zum Beispiel eine Rose, ein Hund oder ein Mensch. Die DNA ist also der Bauplan für ein Lebewesen. Der Bauplan fürs Billy-Regal bei Ikea ist in Form von Bildern codiert, aus denen man ablesen kann, wie man Billys Teile zusammensetzen muss. In der DNA ist die Information eben auf chemische Weise codiert, in Form der vier Basen. Diese können in beliebiger Kombination tausend- und millionenfach hintereinander vorkommen, das nennet man eine Basensequenz. Nun ist DNA aber nicht ein einzelner Strang aus Basen sondern ein Doppelstrang. Zwei Basenstränge „kleben“ sozusagen aneinander. Dabei steht einem A immer ein T und einem G immer ein C gegenüber, so wie hier:

DNAseq

Das nennt man Basenpaarung, und das macht DNA sehr gerne. Wenn man die beiden hier abgebildeten DNA-Stränge trennen (zum Beispiel durch Erhitzen) und gemeinsam in eine wässrige Lösung geben würde, fänden sie von selbst schnell wieder zusammen, wenn die Lösung abkühlt. DNA ist lieber doppel- als einzelsträngig, wenn der passende „spiegelbildliche“ Strang vorhanden ist. Und diese Vorliebe der DNA macht man sich beim DNA-Origami zu Nutze. Mithilfe von leistungsfähigen Computerprogrammen kann man DNA-Stränge entwerfen, die sich auf bestimmte Weise miteinander verbinden. Das funktioniert so:

Es gibt einen langen Einzelstrang, den Gerüststrang. Zusätzlich gibt es viele kurze Verbindungsstränge, die mit einer Hälfte einen Teil des Gerüststrangs binden und mit ihrer anderen Hälfte einen anderen Teil – so zwingen die Verbindungsstränge den Gerüststrang in eine bestimmte Form. Ungefähr so:

origami

Das lange Stück DNA oben ist der Gerüststrang, die zwei kurzen, farblich markierten darunter stellen die Verbindungsstränge dar. Die Basen, mit denen die Verbindungsstränge eine Basenpaarung eingehen, sind im Gerüststrang ebenfalls farblich markiert. Wenn man diesen Gerüststrang mit diesen beiden Verbindungssträngen vermischt, kommt danach so etwas heraus wie im unteren Teil des Bildes.

Das ist natürlich nur ein Beispiel, sogar ein ziemlich primitives. Wenn man sich nämlich geschickt anstellt, kann man aus DNA solche Formen basteln:

DNAorigami
Paul W. K. Rothemund, Nature 2006

Das ist schon ziemlich cool, aber der wahre Nutzen liegt in der Erschaffung dreidimensionaler Strukturen. Wissenschaftler vom Wyss Institute for Biologically Inspired Engineering (“Institut für biologisch inspirierte Werkstoffe”) an der Uni Harvard haben eine Art Tonne aus DNA erschaffen, die an einer Seite ein Scharnier hat. Diese Struktur arbeitet als biologischer Nanoroboter: Man kann die „Tonne“ mit verschiedenen Dingen füllen, wie zum Beispiel einem Medikament gegen Krebs. Im normalen Zustand ist die Tonne geschlossen. Eine Dosis dieser Medikamenten-gefüllten Nanoroboter kann einem Krebspatienten verabreicht werden. Die Nanoroboter gelangen mit dem Blutstrom zu allen Körperzellen – doch nur, wenn sie mit einer Krebszelle in Kontakt kommen, öffnen sie sich und geben die Medikamente frei. So werden gesunde Zellen nicht angegriffen und Krankheiten können sehr effizient und mit wenig Nebenwirkungen behandelt werden.

Oben: Querschnitt durch die Tonnenform des DNA-Nanoroboters. Unten: Der Nanoroboter im geöffneten Zustand. (aus: Shawn M. Douglas et al., Science 2012)
Oben: Querschnitt durch die Tonnenform des DNA-Nanoroboters. Unten: Der Nanoroboter im geöffneten Zustand. (aus: Shawn M. Douglas et al., Science 2012)

Wir verstehen immer besser, wie DNA funktioniert und finden immer mehr kreative Anwendungen für dieses vielseitige Molekül. Durch ihre Codierungsfunktion kann DNA auf bestimmte Funktionen programmiert werden. Ein winziger Roboter, der sich selbst zusammenbaut und ohne jegliches Metall auskommt. Wahnsinn! Ich bin sehr gespannt, wann wir die ersten DNA-Nanoroboter in der Anwendung sehen. Bis jetzt ist das alles noch im Test, aber es sieht sehr gut aus für die klinische Anwendbarkeit dieser Technik. Und keine Angst, fremde DNA wird nicht ins menschliche Genom eingebaut – schließlich essen wir täglich Unmengen DNA und verwandeln und trotzdem nicht langsam in eine Banane oder ein Hühnchen.